ALG II: Beleihung der mit Elternwohnungsrecht belasteten Immobilie zumutbar

Das Bundessozialgericht (Urt. v. 12. 07. 2012 ? B 14 AS 158/11 R) hat entschieden, dass einem Empfänger von Arbeitslosengeld II die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nur als Darlehen (und nicht als Zuschuss) zustehen, wenn er Eigentümer eines verwertbaren Hausgrundstückes ist. Im konkreten Einzelfall war das Hausgrundstück als verwertbarer Vermögensgegenstand im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB II zu berücksichtigen und daher der Leistungsempfänger nicht hilfebedürftig.

Das Haus verfügte über 174 qm Wohnfläche und stand auf einem 800 qm großen Grundstück. Der Leistungsempfänger allein bewohnte darin eine 69,3 qm große Wohnung im Obergeschoss, das Erdgeschoss bewohnten die beiden Eltern des Leistungsempfängers auf der Grundlage eines lebenslangen Wohnungsrechts. Die Immobilie war im Zusammenhang mit Darlehen mit einer Grundschuld über 48.600 Euro belastet, der Verkehrswert lag höher als 90.000 Euro.

Die Immobilie war nach Ansicht des Bundessozialgerichts (BSG) kein Schonvermögen im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II, da es sich nicht mehr um ein Hausgrundstück von angemessener Größe handelte. Das BSG betrachtete dabei nicht allein die Wohnung im Obergeschoss, sondern bezog die gesamte Wohnfläche des Hauses ein, da das Eigentum des Leistungsempfängers nicht auf den von ihm genutzten Teil des Wohnhauses begrenzt war. Aus diesem Grund prüfte das BSG die Verwertbarkeit der gesamten Immobilie. Vermögen ist demnach verwertbar, wenn es nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen des konkreten Einzelfalls verbraucht, übertragen oder belastet werden kann. Dies ist auch durch Beleihung möglich. Das BSG stellte fest, dass der Leistungsempfänger die Immobilie z.B. in Höhe von 10.000 Euro durch Bestellung eines nachrangigen Grundpfandrechts hätte weiter beleihen können, um so seinen Lebensunterhalt eine Weile durch Bankkredit zu finanzieren. Das BSG sah eine weitere Beleihung zur Finanzierung des Lebensunterhalts weder als offensichtlich unwirtschaftlich noch als besondere Härte im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II an, da hierdurch in Substanz und Wohnmöglichkeiten des Hauses nicht eingegriffen wird. Nach den Feststellungen der Vorinstanz war eine weitere Beleihung im entschiedenen Fall noch bis zu einem Betrag von rund 17.000 Euro zumutbar.

Die Notarkammer Sachsen empfiehlt: Soll eine Immobilie z.B. im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf die nächste Generation übertragen werden, kommt der Frage, inwieweit die Immobilie bei auch künftigem Bezug von ALG II-Leistungen beim Erwerber verwertbares Vermögen darstellt, oft entscheidende Bedeutung zu. Dies kann zumindest für bestimmte Fallkonstellationen durch eine notarielle Vertragsgestaltung vermieden werden, die den Erfordernissen des SGB II Rechnung trägt.

Rüdiger Müller, Geschäftsführer der Notarkammer Sachsen



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