Pflichtteil - Nun doch alles anders?

Bereits bis zum Jahr 2005 bildete das Pflichtteilsrecht in seiner bis heute bestehenden Form immer wieder Anlass zu Kritik und Spekulationen. Anlass hierfür bildeten Zweifel an der Verfassungsgemäßheit des Pflichtteilsrechts. Durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) vom 19. April 2005 (Az: 1 BvR 1644/00 und 1 BvR 188/03) wurde diesen insoweit der Boden entzogen, als das BVerfG das Pflichtteilsrecht der Kinder für mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar befand. Auch die Entscheidung des BVerfG führte allerdings nicht zu einem Verstummen der Kritik an der Ausgestaltung des deutschen Pflichtteilsrechts. Die Kritiker empfinden die Regeln als nicht zeitgemäß und zu starr. So sei die Befriedigung von Pflichtteilsansprüchen zum Teil nur durch „Notverkäufe“ von Immobilien oder Unternehmen möglich, die unter ökonomischem Blickwinkel keinen Sinn machen.

Die Bundesregierung hat diese Überlegungen jetzt aufgegriffen und einen Referentenentwurf zur Reformierung des Erbrechts vorgelegt, der auch das Pflichtteilsrecht im Blick hat.

Um das Ergebnis gleich vorwegzunehmen: Der vorgelegte Entwurf rüttelt nicht an den Grundgedanken des Pflichtteilsrechts. Er sieht weder Einschränkungen zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten noch zur Höhe des Pflichtteilsanspruchs vor. Der Pflichtteil soll dementsprechend auch künftig der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils entsprechen und Kindern, Ehegatten und Eltern unabhängig von der konkreten Lebenskonstellation zustehen. Ziel des Entwurfes ist es aber gleichwohl eine Flexibilisierung des Pflichtteilsrechts in gewissen Teilbereichen herbeizuführen und damit Handlungsfreiheit für den Erblasser und die Erben zu schaffen.

In diesem Sinne sollen die Gründe, die eine Entziehung des Pflichtteils rechtfertigen vereinheitlicht, modernisiert und maßvoll erweitert werden. Das Gesetz sieht die Möglichkeit der Pflichtteilsentziehung zwar bereits bislang vor, aber bis auf wenige Extremfälle gibt es kaum einen praktischen Anwendungsfall.

„Notverkäufe“ sollen nach dem vorgelegten Entwurf durch großzügige Stundungsmöglichkeiten für die Zahlungsansprüche des Pflichtteilsberechtigten verhindert werden.

Schließlich sollen die Handlungsmöglichkeiten dadurch erweitert werden, dass Übertragungen zu Lebzeiten stärker als bisher als Instrument zur Reduktion von Pflichtteilsansprüchen eingesetzt werden können. Die geltende Regelung sieht vor, dass Pflichtteilsansprüche für einen vom Erblasser verschenkten Gegenstand nur dann ausgeschlossen sind, wenn die Schenkung mindestens 10 Jahre vor dem Tod des Erblassers stattgefunden hat und der verschenkte Gegenstand auch wirtschaftlich nicht mehr dem Vermögen des Erblassers zugerechnet werden konnte.

Diese Lösung kommt einem „Alles oder Nichts“ gleich - verstirbt der Erblasser 9 Jahre und 11 Monate nach der Schenkung umfassen die Pflichtteilsansprüche auch den Wert des verschenkten Gegenstandes. Tritt der Todesfall 10 Jahre und 1 Tag nach der Schenkung ein, sind Pflichtteilsansprüche bezüglich des verschenkten Gegenstandes ausgeschlossen. Der nun vorgelegte Entwurf sieht anstelle der bisherigen „Alles oder Nichts - Lösung“ vor, dass die Schenkung bereits innerhalb der 10 Jahre - allerdings nur anteilig - pflichtteilsreduzierend wirkt. Der für die Berechnung des Pflichtteils nicht zu berücksichtigende Wert des verschenkten Gegenstandes soll dabei von 1/10 nach Ablauf eines Jahres bis auf 10/10 nach Ablauf von 10 Jahren steigen.

Auch abseits des Pflichtteilsrechts sieht der Referentenentwurf interessante Änderungen vor. So soll z.B. eine Möglichkeit geschaffen werden, Pflegeleistungen einzelner Erben im Rahmen einer Erbauseinandersetzung zu berücksichtigen, auch wenn kein Testament oder keine diesbezügliche testamentarische Regelung existiert.

Ob und wann die nunmehr gemachten Vorschläge geltendes Recht werden, ist derzeit noch nicht absehbar. Ihre Notare unterrichten Sie selbstverständlich gern über die aktuellen Entwicklungen und zeigen Ihnen Möglichkeiten, wie Sie diese zur optimalen Gestaltung Ihrer Nachfolgeregelung nutzen können.



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