Lebensversicherung und Pflichtteil - es bleibt spannend!

Die durch die Bundesregierung bereits auf den Weg gebrachte Reform des Pflichtteilsrechts rüttelt nicht an den Grundgedanken der bestehenden Regelungen. So sieht der vorgelegte Gesetzentwurf weder Änderungen zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten (Abkömmlinge, Ehegatten und Eltern) noch zur Höhe des Pflichtteils (Geldzahlungsanspruch in Höhe der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils) vor. Strategien zur Vermeidung dieses oft ungeliebten Anspruchs nächster Angehöriger dürften dementsprechend auch in Zukunft gefragt sein.

In der Vergangenheit bildete z.B. die Kapital bildende Lebensversicherung ein wirksames Instrumentarium zur Reduzierung von Pflichtteilsansprüchen. Soweit die Versicherungssumme aufgrund der - auch widerruflichen - Benennung eines Bezugsberechtigten nicht in den Nachlass fiel, sollten für die Berechnung von Pflichtteilsansprüchen nur die in den letzten 10 Jahren vor dem Tod des Erblassers/Versicherungsnehmers gezahlten Versicherungsbeiträge, nicht jedoch die gesamte ausgezahlte Versicherungssumme maßgeblich sein.

Diese Sichtweise wurde durch eine zum Insolvenzrecht ergangene Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) aus dem Jahr 2004 nachhaltig in Zweifel gezogen. Rechtssicherheit besteht bis heute nicht, da eine Entscheidung des BGH für den Bereich des Pflichtteilsrechts bislang nicht vorliegt. Wie umstritten die rechtliche Beurteilung dieser Frage ist, zeigen die aktuellen Entscheidungen zweier Oberlandesgerichte.

So gelangt das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart in seiner Entscheidung vom 13.12.2007 (Az. 19 U 140/07) zu dem Ergebnis, dass sich etwaige Pflichtteilsansprüche nur auf die in den letzten 10 Jahren vor dem Tod des Erblassers/Versicherungsnehmers gezahlten Beiträge erstrecken.

Das OLG Düsseldorf stellt demgegenüber in seiner Entscheidung vom 22.02.2008 (Az. I-7 U 140/07) fest, dass sich etwaige Pflichtteilsansprüche auch auf die gesamte Versicherungssumme erstrecken können. Dies gilt nach Auffassung des OLG Düsseldorf allerdings nur dann, wenn die Bezugsberechtigung des Berechtigten widerruflich ausgestaltet war. Hat der Versicherungsnehmer eine unwiderrufliche Bezugsberechtigung angeordnet, werden auch nach Auffassung des OLG Düsseldorf nur die in den letzten 10 Jahren vor dem Todesfall gezahlten Prämien von einem etwaigen Pflichtteilsanspruch erfasst. Die Entscheidung des OLG Düsseldorf ist noch nicht rechtskräftig und liegt derzeit dem BGH vor, dessen Entscheidung mit Spannung erwartet werden darf.

Angesichts solcher Unsicherheiten geht derjenige Erblasser auf „Nummer sicher“, dem es gelingt, eine Vereinbarung mit den potentiellen Pflichtteilsberechtigten zu treffen, den sog. Pflichtteilsverzicht. Der Inhalt eines solchen Pflichtteilsverzichtsvertrages kann vielgestaltig sein.

So kann sich der Verzicht beispielsweise auf den gesamten Pflichtteil erstrecken oder auf die Ansprüche bezüglich einzelner Nachlassgegenstände (z.B. Immobilien) beschränkt werden. Auch eine Gegenleistung für den Verzicht kann vereinbart werden. Wichtig ist jedoch, dass der Pflichtteilsverzichtsvertrag unabhängig vom konkreten Inhalt zwingend der notariellen Beurkundung bedarf. Ein ohne Beachtung dieses Formerfordernisses geschlossener Vertrag ist unwirksam und kann für böse Überraschungen sorgen. Und noch etwas ist unverzichtbar, wenn es um den Pflichtteil geht: rechtzeitige Planung. Nur wer die Nachlassplanung frühzeitig angeht und die Überlegungen zu etwaigen Pflichtteilsansprüchen in diese einbezieht, kann die bestehenden Gestaltungsmöglichkeiten optimal nutzen. Es gilt insbesondere zu berücksichtigen, dass nach den derzeitigen Regelungen kurz vor dem Tod vorgenommene unentgeltliche Vermögensübertragungen nicht zu einer Reduzierung der Pflichtteilslast führen. Voraussetzung hierfür ist vielmehr im Regelfall, dass entsprechende Übertragungen mindestens 10 Jahre vor dem Eintritt des Erbfalls vollzogen worden sein müssen. Zwar sind hinsichtlich dieser Frist im Zuge der bevorstehenden Reform Erleichterungen zu erwarten; eine langfristige Nachlassplanung werden auch diese aber nicht entbehrlich machen. Der Notar berät zu allen den Pflichtteil und die Nachlassplanung betreffenden Fragestellungen. Gerade wenn er frühzeitig in die Überlegungen einbezogen wird, kann er Ihnen helfen, die für Ihren Fall optimale Gestaltung zu finden.



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