Neues Erbrecht hat Pflichtteil im Fokus

Kritiker empfanden das in seiner Struktur bereits seit mehr als 100 Jahren bestehende Erbrecht gerade hinsichtlich der Pflichtteilsregelungen bereits seit langem als nicht zeitgemäß und zu starr. Auch die Bestätigung der Rechtmäßigkeit dieser Regelung durch das höchste deutsche Gericht lies diese Kritik nie verstummen.

Die Bundesregierung hat diese Überlegungen jetzt aufgegriffen und eine Reform des Erbrechts auf den Weg gebracht, die auch das Pflichtteilsrecht im Blick hat.

Um das Ergebnis gleich vorwegzunehmen: Der nunmehr vorgelegte Regierungsentwurf rüttelt nicht an den Grundgedanken des Pflichtteilsrechts. Er sieht weder Einschränkungen zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten noch zur Höhe des Pflichtteilsanspruchs vor. Der Pflichtteil soll dementsprechend auch künftig der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils entsprechen und Kindern, Ehegatten und Eltern unabhängig von der konkreten Lebenskonstellation zustehen. Ziel des Entwurfes ist es aber gleichwohl, eine Flexibilisierung des Pflichtteilsrechts in gewissen Teilbereichen herbeizuführen und damit Handlungsfreiheit für den Erblasser und die Erben zu schaffen. Die verfassungsrechtlich garantierte Testierfreiheit soll dadurch gestärkt werden.

In diesem Sinne sollen die Gründe, die eine Entziehung des Pflichtteils rechtfertigen vereinheitlicht, modernisiert und maßvoll erweitert werden. Das Gesetz sieht die Möglichkeit der Pflichtteilsentziehung zwar bereits bislang vor, aber bis auf wenige Extremfälle gibt es kaum einen praktischen Anwendungsfall. Dies galt insbesondere für den bislang im Gesetz verankerten äußerst unbestimmten Entziehungsgrund des „ehrlosen und unsittlichen Lebenswandels“. Ersetzt werden soll dieser durch die Möglichkeit der Pflichtteilsentziehung bei einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung, wenn es dem Erblasser unzumutbar ist, dem Verurteilten den Pflichtteil zu belassen.

„Notverkäufe“ sollen nach dem vorgelegten Entwurf durch großzügigere Stundungsmöglichkeiten für die Zahlungsansprüche des Pflichtteilsberechtigten verhindert werden. Ein Stundungsanspruch soll in Abweichung zur bisherigen Regelung künftig insbesondere auch denjenigen Erben zustehen, die selbst nicht pflichtteilsberechtigt sind.

Schließlich sollen die Handlungsmöglichkeiten dadurch erweitert werden, dass Übertragungen zu Lebzeiten stärker als bisher als Instrument zur Reduktion von Pflichtteilsansprüchen eingesetzt werden können. Die geltende Regelung sieht vor, dass Pflichtteilsansprüche für einen vom Erblasser verschenkten Gegenstand nur dann ausgeschlossen sind, wenn die Schenkung mindestens 10 Jahre vor dem Tod des Erblassers stattgefunden hat und der verschenkte Gegenstand auch wirtschaftlich nicht mehr dem Vermögen des Erblassers zugerechnet werden konnte.

Diese Lösung kommt einem „Alles oder Nichts“ gleich – verstirbt der Erblasser 9 Jahre und 11 Monate nach der Schenkung umfassen die Pflichtteilsansprüche auch den Wert des verschenkten Gegenstandes. Tritt der Todesfall 10 Jahre und 1 Tag nach der Schenkung ein, sind Pflichtteilsansprüche bezüglich des verschenkten Gegenstandes ausgeschlossen. Der nun vorgelegte Entwurf sieht anstelle der bisherigen „Alles oder Nichts – Lösung“ vor, dass die Schenkung bereits innerhalb der 10 Jahre - allerdings nur anteilig - pflichtteilsreduzierend wirkt. Der für die Berechnung des Pflichtteils nicht zu berücksichtigende Wert des verschenkten Gegenstandes soll dabei von 1/10 nach Ablauf eines Jahres bis auf 10/10 nach Ablauf von 10 Jahren steigen.
Auch an einem weiteren Punkt sollen die Handlungsmöglichkeiten des Erblassers bezüglich des Pflichtteils erweitert werden. Die bisherige Regelung sieht vor, dass Schenkungen an den Pflichtteilsberechtigten den Pflichtteil nur dann mindern, wenn dies bei der Schenkung ausdrücklich durch den Erblasser angeordnet wird. Künftig sollen Erblasser die Möglichkeit haben, eine solche Anrechnung auch nachträglich durch letztwillige Verfügung anzuordnen. So kann der Erblasser z.B. auf eine Verschlechterung der persönlichen Beziehungen zum Pflichtteilsberechtigten reagieren, die erst nach der Schenkung eingetreten ist.

Auch abseits des Pflichtteilsrechts sieht der Regierungsentwurf interessante Änderungen vor. So soll z.B. eine Möglichkeit geschaffen werden, Pflegeleistungen einzelner Erben im Rahmen einer Erbauseinandersetzung zu berücksichtigen, auch wenn kein Testament oder keine diesbezügliche testamentarische Regelung existiert. Dieser Ausgleichsanspruch soll künftig für alle gesetzlichen Erben in Betracht kommen und anders als bislang unabhängig davon gelten, ob wegen der Erbringung der Pflegeleistungen auf berufliches Einkommen verzichtet wurde.

Die Bundesregierung strebt die Verabschiedung des Gesetzes durch Bundestag und Bundesrat noch im Verlaufe des 1. Halbjahres 2008 an, so dass die Reform schon Mitte des Jahres 2008 in Kraft treten könnte. Ihre Notare unterrichten Sie selbstverständlich gern über die aktuellen Entwicklungen und zeigen Ihnen Möglichkeiten, wie Sie diese zur optimalen Gestaltung Ihrer Nachfolgeregelung nutzen können.



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